Als psychotherapeutische Heilpraktikerin, Klientenzentrierte
Beraterin und Supervisorin arbeite ich nach dem Gesprächstherapeutischen
Ansatz von Carl Rogers.
Carl Rogers war ein Humanistischer Psychologe, der in der Mitte des
letzten Jahrhunderts einen Ansatz entwickelt hat, der sich auf drei
Säulen aufbaut.
Kongruenz das heißt Echtheit - Empathie das ist Einfühlungsvermögen -
und uneingeschränkte Wertschätzung jedem lebenden Wesen gegenüber.
Auf diesen drei Säulen baut auch meine Arbeit auf!
Kongruenz also Echtheit heißt, das jeweilige momentane Befinden fühlen und mitteilen zu können! Kongruenz ist zusätzlich eine professionelle Haltung, die in langer Selbstentwicklung erarbeitet wird. Es bedeutet Deckungsgleichheit und dies heißt, das Selbstkonzept und das Selbst müssen übereinstimmen.
Empathie also Einfühlungsvermögen ist die Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinzufühlen und ein Gefühl dafür zu entwickeln, wie Dieser die Welt wahrnimmt, sich in seine Erlebenswelt einzufühlen und ihn zu unterstützen sich selbst zu verstehen und aus sich heraus zu entwickeln.
Diese beiden Säulen fußen auf der wichtigsten Säule des
Klientenzentrierten Ansatzes, der uneingeschränkten Wertschätzung jedem
lebenden Wesen gegenüber.
Jeder Mensch ist vollkommener Wert und hat den Wunsch, sich innerhalb
dieses Wertes selbst zu verwirklichen und dies glücklich mit den anderen
Menschen zusammen.
Nur leider vergessen wir im Laufe der Zeit, durch Kränkungen, die wir
uns gegenseitig zufügen, dass wir dieser 100%ige Wert sind und beginnen,
es beweisen zu wollen, darum zu kämpfen oder zu resignieren.
Ein Neugeborenes lässt uns diesen glücklich machenden umfassenden Wert fühlen. Dieses Baby käme niemals auf die Idee, dass ihm etwas fehlt, weil es nun ein Mädchen ist, eine dunkle Hautfarbe hat oder blind ist, es dadurch also weniger Wert sei. Dies erfährt dieses Kind erst durch den Kontakt mit der Welt. Dann wird es in seinem einhundertprozentigen Werterleben verletzt. Wenn es z.B. spürt, dass die Eltern durch es gekränkt sind, hält es Dieses nicht aus, weil dies ein Antagonismus ist: „Ich bin einhundertprozentiger Wert“ und „Ich bin nichts oder wenig an Wert“ und dann beginnt das Verdrängungsspiel!
Wenn ein Mensch im vollen Werterleben lebt, dann kann er eine
Sehbehinderung, die allmählich oder Blindheit, die plötzlich in sein
Leben tritt als reale Grenze bearbeiten!
Er kann fühlen: „Ok, da tritt etwas in mein Leben, das ist nicht schön,
das habe ich mir nicht ausgesucht, das macht mich traurig, macht mir
Angst, tut mir weh. Diese Gefühle fühle und erlebe ich jetzt, ich lasse
sie zu: Trauer, was geht verloren, unwiderbringlich verloren; Angst, was
ist in Gefahr, welche Werte; mein Job, meine Beziehung, meine
gesellschaftliche Stellung? Schmerz, inwiefern fühle ich mich verletzt?
Ok, ich lasse diese Gefühle zu, brauche dafür Zeit, kann nicht gleich
funktionieren, ziehe mich zurück. Das kann eine ganze Weile dauern,
diese Zeit brauche ich. Wenn ich mich dann einigermaßen stabil in meinem
neuen Leben fühle, dann gehe ich mal los, schaue, welche Unterstützung,
welche Hilfen, welche Hilfsmittel ich mir angesichts dieser neuen Grenze
besorgen und organisieren kann und muß.“
Dies wäre eine Abarbeitung, eine Bewältigung einer neuen Lebenssituation
an realen Grenzen.
Eine Behinderung trifft aber zumeist auf Kränkungen eines Menschen, innerhalb dessen Werterleben, die dort schon vorhanden sind – oder durch die Kränkung der Eltern angesichts eines behinderten Kindes entstehen - und er fühlt sich innerhalb dieser seelischen Verletzungen bestätigt, schämt sich, fühlt sich entwertet und arbeitet sich an vermeindlich realen Grenzen ab:
„Was sollen die Leute denken, wenn ich mit weißem Stock auf die
Straße gehe?“ – „Ich kennzeichne mich nicht, ich gehe nur noch mit
Begleitung heraus, versuche es zu vermeiden, dass jemand merkt, wie
schlecht ich sehe.“
„Wenn mein Arbeitgeber merkt, wie schlecht ich sehe, kündigt er mir. Ich
verwende also all meine vorhandene Kraft, meine Sehbehinderung zu
vertuschen.“
„Ich will dass meine Kinder, meine Frau, mein Mann es nicht merken, kaum
merken. Sie sollen nicht unter mir leiden.“
„Ich zeige mich nicht als blind oder sehbehindert in der Öffentlichkeit,
das kann ich meiner Familie nicht antun.“
Hier werden also das Selbstkonzept und das Selbst voneinander
getrennt: „Ich, sehbehindert oder blind? Das ertrage ich nicht, das bin
ich nicht, das will ich nicht sein, das vermeide ich zu sein!“
Ein Klient brachte es einmal so auf den Punkt: „Ich mit weißem Stock als
geouteter blinder Mann, das ertrag ich nicht, das bin ich nicht, dann
bin ich ein Anderer.“ Ich sagte ihm: „Du bleibst der selbe auch mit
weißem Stock, auch als geouteter blinder Mann, nur anders!“
Diese gefühlte Entwertung wird also verleugnet. Es wird vermieden, sich
damit wirklich, also von Angesicht zu Angesicht auseinander zu setzen,
diese neue Wirklichkeit zu integrieren und so wieder kongruent, also
deckungsgleich, zu werden!
Es ist eine tiefe Entwicklungsarbeit, sich liebevoll auf sich selbst
als behinderter Mensch einzulassen und glücklich mit Behinderung zu
leben.
Die Frage ist letztendlich, welche Werte durch eine Behinderung verletzt
sind und welche Wertverwirklichung durch eine Behinderung scheinbar
nicht mehr möglich ist.
Dies bedarf eines sich Einlassens auf die wirklichen wahrhaftigen
Gefühle, die eine Sehbehinderung, eine plötzliche oder drohende
Blindheit auslösen und es hat sich innerhalb meines Beratungsangebotes
die Arbeit mit sieben Bewältigungsphasen sehr bewährt.
"Verleugnen, Zusammenbrechen, Anerkennen, Trauern, Verarbeiten, Neu
aufbauen, Wieder glücklich werden."
Die Verleugnung ist in der Regel das erste Gefühl auf eine Nachricht,
eine Situation, die wir nicht verarbeiten, nicht integrieren können:
„Das darf nicht wahr sein!“ – „Warum gerade ich?“
Der schwerste Schritt ist das Einlassen auf den Zusammenbruch und dies
erscheint gerade bei dem Thema des Verarbeitens einer Behinderung,
insbesondere drohender Blindheit, ein kaum aushaltbarer Schritt zu sein.
Ein Grund ist, dass Blindheit allgemein sehr angstbesetzt ist. Angst vor
Dunkelheit, vor ewiger Finsternis ist eine Urangst im Menschen, so dass
ein erblindender oder blinder Mensch seiner Umwelt in der Regel erst
einmal die Angst vor dieser Blindheit nehmen muß und selten erwarten
kann, dass diese Umwelt ihn in seinem Verarbeitungsprozess trägt.
Gruppenstunden und oder Seminare sind daher ein wertvoller Raum,
gemeinsam innerhalb einer wertschätzenden, getragenen Atmosphäre diesen
Zusammenbruch erleben, die Gefühle, die schier unaushaltbar erscheinen,
zuzulassen und benennen zu können. Das Hauptgefühl zwischen Verleugnung
und Einlassen auf den Zusammenbruch ist Angst:
„Angst vor Isolation, Angst Hilfe zu brauchen und keine zu bekommen,
Angst vor Abhängigkeit, Angst vor dem nächsten Schub, Angst die
Souveränität, die Kontrolle zu verlieren, Angst zu fallen, verloren zu
gehen aber auch Wut, Zorn, Trauer, Verzweiflung, Scham und
Verletztheit!“
Ein ganz tiefer, warmer Raum entsteht, wenn ich die einzelnen Phasen,
auf Blätter geschrieben, auf den Boden lege und die Gefühle endlich
erlebbar sein dürfen.
Haben sich die TeilnehmerInnen einmal auf die Gefühle eingelassen,
welche während des Zusammenbrechens entstehen und erfahren, dass dies
nicht bedeutet, dass ein Abgrund aufgeht, aus dem es kein Auftauchen
mehr gibt, können sie die neue Aufgabe ihres Lebens, eine
Sehbehinderung, eine beständig fortschreitende Sehbehinderung mit
Gewissheit einer letztendlichen Blindheit, erst wirklich anerkennen.
Wenn diese drei Phasen durchlebt sind: Verleugnen, schmerzhaftes
Einlassen auf das Gefühl des Zusammenbrechens, Anerkennen, kann erst
wirklich getrauert , verarbeitet, neu aufgebaut und ein glückliches
Leben innerhalb der neuen Grenzen erreicht werden.
„Mut, Lebensfreude, Neugier, Zuversicht“, sind dann Gefühle, die
innerhalb der Phasen des Verarbeitens, Neu Aufbauens und wieder
glücklich Werdens hervortreten.
Diese Bewältigung von Sehbehinderung und oder Blindheit ist ein nie
abgeschlossener Prozess und Menschen mit einer fortschreitenden
Sehbehinderung müssen beständig neue Lebens- und Gefühlssituationen
integrieren!
„RP ist ständige Trauerarbeit“, sagte einmal eine Klientin und Recht hat
sie. Ständig müssen Menschen mit einer fortschreitenden Sehbehinderung
wie z.B. retinopathia pigmentosa (RP) sich von einem Level des Sehens,
auf welches sie sich gerade schmerzhaft eingestellt haben, wieder
verabschieden und so auch von das Leben begleitenden Qualitäten.
Zumeist in der Lebensmitte müssen sie sich in Bezug auf Mobilität, Lese-
und Schreibgewohnheiten sowie den praktischen Tätigkeiten des Lebens neu
orientieren. Dieser beständige Bewältigungsprozess neuer Lebens- und
Gesundheitssituationen erfordert ein hohes Mas an Anpassungsfähigkeit
und die Betroffenen vollbringen hier eine enorme Leistung.
Heike Herrmann-Hofstetter
Beratungskonzept „Captain-Handicap“
Meine Vorträge und seminare sind bundesweit buchbar
Tel. 06421/166734
info@Captain-Handicap.de
www.captain-handicap.de