zum Menü
Hörgeräte für hörsehbehinderte Menschen
Schwerhörige Menschen haben das Recht auf Hörgeräte zum bestmöglichen
Behinderungsausgleich durch ihre gesetzliche Krankenkasse unter Einhaltung
von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Die Hörgeräte sollen vor allem ein
gutes Sprachverstehen ermöglichen.
Wenn zur Hörbehinderung noch eine Seheinschränkung dazukommt, sind
auch das Richtungshören und das Erkennen von Geräuschen sehr wichtig,
sowie dass das Gerät auch ohne gutes Sehen bedient werden kann.
Der gemeinsame Fachausschuss hörsehbehindert / taubblind (GFTB) hat die
aktuelle Rechtslage dargestellt unter:
www.dbsv.org/hoerhilfen.html
Hier erläutern wir Ihnen Schritt für Schritt, was Sie tun können, damit Sie
gute Chancen haben, dass die Krankenkasse Ihre Hörgeräte bezahlt:
1. Ärztliche Verordnung
In der Verordnung Ihrer Hörgeräte sollte Ihre HNO-Ärztin oder -Arzt ihre
doppelte Behinderung im Hören und Sehen erwähnen und evtl. auch weitere
Einschränkungen und diese möglichst genau beschreiben. In der Verordnung
sollte stehen, dass für Sie aufgrund Ihrer zusätzlichen Seheinschränkung das
räumliche Hören und Richtungshören und das Erkennen von Geräuschen
besonders wichtig sind. Außerdem sollte vermerkt sein, dass die Hörgeräte
für Sie auch mit Seheinschränkung bedienbar sein müssen. Auch zusätzliche
Bewegungseinschränkungen oder Lernschwierigkeiten sollten genannt
werden. Beispiel: Hörsehbehinderte Menschen mit Diabetes können evtl. die
kleinen Batterien nicht gut tasten und sind auf Geräte mit Akku angewiesen.
Fügen Sie Ihrem Antrag an die Krankenkasse möglichst auch
Bescheinigungen von Augenarzt oder -ärztin bzw. weiteren Ärzten bei. Auch
Ihr Schwerbehindertenausweis ist wichtig, wenn darin die Merkzeichen Bl für
blind, Gl für gehörlos oder TBl für taubblind eingetragen sind. Im Bescheid
Ihres Versorgungsamtes über die Feststellung Ihrer Behinderung sind
vielleicht auch Ihre verschiedenen Behinderungen aufgelistet.
Laden Sie sich das Gutachten des gemeinsamen Fachausschusses
hörsehbehindert / taubblind (GFTB) "Versorgung von hör- und
sehbehinderten Menschen mit Hörgeräten durch die gesetzliche
Krankenversicherung (GKV)" herunter:
www.dbsv.org/files/blindheit-sehbehinderung/GFTB_GKV_Hoergeräte_Hoersehbehinderte.pdf
Drucken Sie es aus und zeigen Sie es Ärztinnen und Ärzten, der
Hörgeräteakustikerin bzw. dem -akustiker und senden Sie es auch an Ihre
Krankenkasse.
2. Hörgeräteakustiker
Nehmen Sie alle Dokumente mit zur Akustikerin. Erklären Sie, dass Sie
Hörgeräte möchten, die
- gutes Sprachverstehen ermöglichen
- räumliches Hören ermöglichen
- Geräusche erkennen lassen
- für Sie gut bedienbar sind
- von der Krankenkasse ganz bezahlt werden, auch wenn sie über
Festbeträgen oder Vertragspreisen liegen
Unterschreiben Sie auf keinen Fall, dass Sie
- einverstanden sind mit Zuzahlungen über Festbeträge oder
Vertragspreise hinaus oder
- keine Testung von Geräten zum Festbetrag oder Vertragspreis
wünschen.
Lesen Sie alle Dokumente in Ruhe oder lassen sie sich von einer
Vertrauensperson vorlesen und nehmen Sie Kopien von allem Mit, vor allem
von Dokumenten, die Sie unterschrieben haben. Lassen Sie sich beraten, ob
Sie Dinge unterschreiben dürfen, wenn Sie unsicher sind. Lassen Sie sich
nicht dazu drängen, etwas zu unterschreiben, sondern nehmen Sie sich so
viel Zeit dafür, wie Sie brauchen.
Probieren Sie mindestens zwei Hörgeräte aus, die es zum Festbetrag bzw.
zum Vertragspreis gibt. Die Akustikerin muss mit jedem Testgerät Ihre
Hörergebnisse mit dem "Freiburger Einsilbertest" in Ruhe und mit Störschall
aufschreiben.
Außerdem sollten Sie mit dem Akustiker zusammen testen, wie gut Sie mit
allen Testgeräten richtungshören können, z. B.: Hören Sie, aus welcher
Richtung ein Auto kommt, oder aus welcher Richtung jemand spricht?
3. Test zu Hause
Nehmen Sie die Testgeräte für mehrere Wochen mit nach Hause. Testen Sie
die Geräte bei möglichst vielen verschiedenen Situationen und schreiben Sie
genau auf, wie gut Sie hören konnten. Z. B.: Einzelgespräche, Radio und
Fernsehen, Familienfeier, Straßenverkehr, Kino, Theater …
Können Sie mit den Geräten genug hören, zum Kochen und Braten, um eine
Straße oder eine Kreuzung zu überqueren, um zu merken, ob Sie gerade
jemand anspricht usw. Schreiben Sie alles auf! Vermerken Sie auch, wie
einfach die Bedienung für Sie ist.
Verfassen Sie zu jedem Gerät einen kleinen Testbericht und testen Sie mit
jedem Gerät dieselben Sachen, damit die Tests vergleichbar sind.
4. Das beste Hörgerät
Mit Ihren Tests und den Tests bei der Akustikerin finden Sie heraus, welches
Hörgerät oder welche Geräte für Sie das beste Hörvermögen bringen.
Sie haben ein Recht darauf, dass Ihnen die Krankenkasse ein Gerät bezahlt,
mit dem Sie optimal hören - auch angesichts Ihrer Seheinschränkung.
Sie haben keinen Anspruch auf das allerteuerste Gerät, nur weil Sie blind
sind. Deshalb ist es wichtig, dass sie die Vorteile für Ihr Hören genau kennen,
die Ihnen das beantragte Gerät bringt.
Ein besonderes Problem ist z. Z. die Bluetooth Funktion von Hörgeräten. Es
kann für Sie sehr wichtig sein, dass Sie Ihr Hörgerät mit dem Smartphone
oder anderen Geräten über Funk verbinden können. Die Krankenkassen
sehen gerade das sehr häufig als Luxus an. Sie sollten die Bluetooth Funktion
bei der Antragstellung deshalb nicht unbedingt betonen, sondern mehr auf
die Hörleistung selbst hinweisen.
5. Antrag an die Krankenkasse
Die Akustiker bieten meist an, den Antrag an die Krankenkasse für Sie zu
machen. Sie sollten den Antrag aber möglichst selbst stellen. Damit haben
Sie das gesamte Verfahren selbst in der Hand. Auch für die Akustikerin ist es
eine Entlastung, weil sie wegen der Vertragspreise Probleme mit der Kasse
kriegen kann.
Wenn Geräte zum Festbetrag oder Vertragspreis für Sie optimale Ergebnisse
gebracht haben, dann werden Sie wahrscheinlich keine Probleme mit der
Finanzierung haben. Wenn Sie für optimales Sprachverstehen und räumliches
Hören sowie eine gute Bedienung teurere Geräte brauchen, sollte der Antrag
sehr sorgfältig gemacht werden.
Der Antrag sollte enthalten:
- HNO-ärztliche Verordnung mit Besonderheiten Ihrer
Mehrfachbehinderung
- Attest von Augenärztin oder -arzt und ggf. von weiteren Ärzten
- weitere Belege Ihrer Mehrfachbehinderung, z. B.
Schwerbehindertenausweis, Bescheid des Versorgungsamtes
- Testberichte zu verschiedenen Hörgeräten des Akustikers
- Ihre eigenen Testberichte über die Geräte
- das oben genannte Gutachten des GFTB
Der Antrag sollte vor allem auch ein Antragsschreiben enthalten, in dem
folgende Dinge stehen:
- Es wird die Übernahme der vollen Kosten der Hörgeräte beantragt.
- Ziel der Hörgeräteversorgung ist nicht nur gutes Sprachverstehen
sondern wegen der zusätzlichen Sehbehinderung oder Blindheit auch
gutes räumliches Hören und eine gute Bedienbarkeit. Dies entspricht
der Forderung nach einem bestmöglichen Ausgleich der Behinderung
durch Hilfsmittel nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V nach dem aktuellen
Stand der Technik (§ 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V). Zu einer ganzheitlichen
Sicht der Versorgung gehört die Einbeziehung aller Faktoren, die vor
allem auch für Betroffene mit Hörsehbehinderung wichtig sind. (§ 7
Abs. 2 Satz 2 HilfsM-RL) wie vor allem das räumliche Hören (§ 19 Abs. 1
HilfsM-RL).
- ausführliche Darstellung, welches Hörvermögen mit den beantragten
Geräten erreicht wird und was das für den Alltag in möglichst vielen
Situationen bedeutet. Z. B.: Die Geräte ermöglichen auch die
Orientierung im Straßenverkehr und das Verstehen von Ansagen am
Bahnsteig und in Bahnen. Das bedeutet eigenständige Mobilität.
- Kostenvoranschlag des Akustikers über den vollen Preis der Geräte und
evtl. Zusatzausstattung, wenn sie wegen der Hörsehbehinderung
notwendig ist
6. Bei Problemen
Die Krankenkasse sollte innerhalb von fünf Wochen über Ihren Antrag
entscheiden.
Wenn die Kasse länger als zwei Monate für eine Entscheidung braucht, kann
sogar angenommen werden, dass der Antrag bewilligt ist
(Genehmigungsfiktion, § 18 SGB IX). Sie könnten dann die Geräte auf Kosten
der Kasse bestellen. Diesen Fall sollten Sie mit Rechtsberatung klären.
Bei einer Ablehnung oder wenn nicht die vollen Kosten übernommen werden,
können Sie meist innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen. Wird der
Widerspruch abgelehnt, können Sie wieder innerhalb eines Monats vor dem
Sozialgericht klagen.
Den Widerspruch und die Klage können Sie, um die Frist einzuhalten, auch
ganz kurz schreiben und eine Begründung nachreichen.
7. Tipps und Beratung
- Lassen Sie sich beraten von Blickpunkt Auge (www.blickpunkt-auge.de)
bzw. unserem Verein in Ihrer Nähe (www.dbsv.org/landesvereine.html)
- Bei Widerspruch und Klage werden unsere Mitglieder unterstützt und
vertreten von der Rechte behinderter Menschen gGmbH (www.rbm-rechtsberatung.de).
- Antragsverfahren brauchen die Schriftform. Schriftform heißt "gedruckt
auf Papier". Machen Sie sich von allem Kopien. Schreiben Sie Briefe an die
Krankenkasse und bestehen Sie darauf, dass Ihnen brieflich geantwortet
wird. Telefonauskünfte und E-Mails haben keine Rechtskraft; darauf
können Sie sich im Zweifelsfall nicht berufen.
- Wenn Ihr Antrag abgelehnt oder nicht komplett bewilligt wird, können Sie
die Geräte selbst bei der Akustikerin kaufen und bekommen das Geld von
der Krankenkasse zurück, wenn Sie schließlich doch Recht bekommen.
Wenn Sie so in Vorleistung gehen, ist das aber Ihr Risiko; bekommen Sie
kein Recht, dann kriegen Sie auch kein Geld zurück.
- Seit 2018 ist in der Hilfsmittelrichtlinie auch klargestellt worden:
„Übertragungsanlagen sind (altersunabhängig) zur Befriedigung von
allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens zusätzlich zu
einer erfolgten Hörhilfen Versorgung oder CI-Versorgung
verordnungsfähig". (§ 25 HilfsM-RL) Damit wird die Versorgung mit FM-
Anlagen nicht auf Kinder fokussiert und der Rechtssprechung gefolgt,
die auch bereits klargestellt hat, dass Erwachsene Anspruch auf
Versorgung mit FM-Anlagen haben.
- Was heißt Festbetrag? - Seit 2013 hat der Spitzenverband der
Krankenkassen als Festbetrag 784,94 € pro Hörgerät festgelegt, der
von den Krankenkassen übernommen werden muss. Man geht davon
aus, dass dieser Betrag i. d. R. ausreicht, um die notwendige
Versorgung zu schaffen. Teurere Geräte werden nur bezahlt, wenn sie
medizinisch notwendig sind.
- Was heißt vertragspreis? - Krankenkassen schließen mit manchen
Hörgeräteakustikerinnen bzw. mit der Akustiker-Innung oder großen
Firmen Versorgungsverträge. Darin wird ein Vertragspreis für
Hörgeräte und Wartung festgelegt. Zu diesem Preis müssen
Akustikerinnen dann die Betroffenen mit Geräten versorgen, die das
vom Arzt vorgegebene Hörergebnis erreichen. Der Akustiker kann
damit manchmal ein gutes und manchmal ein schlechtes Geschäft
machen. Nach Ansicht des GFTB dürfen die Vertragspreise nicht gelten,
wenn es auch um gutes räumliches Hören geht.
- Zuzahlung: Bei jeder Versorgung mit Hilfsmitteln müssen die
Versicherten mindestens 10 € pro Hilfsmittel, also 10 € pro Hörgerät
als Zuzahlung selbst bezahlen.
Herausgeber und Kontakt
Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV)
Reiner Delgado, Sozialreferent
Rungestraße 19 - 10179 Berlin
Tel: 030-285387-240 - Fax 030-285387-273
Mail r.delgado@dbsv.org - Web: www.dbsv.org/hoerhilfen.html
zurück zum Textanfang
zur Startseite